„150 Millionen Abonnenten weltweit und Du willst mir erzählen, dass Netflix rote Zahlen schreibt?!“ mein Kollege schaut mich irritiert an, als ob ich ihm gerade erklären wolle, dass die Erde eine Scheibe sei. „Ja klar und zwar so tiefrot, wie die Farbe im Firmenlogo!“ entgegne ich ihm. Solche und auch ähnliche Diskussionen habe ich in den letzten Wochen einige geführt.
Viele Menschen lassen sich von den Nutzerzahlen der beliebten Streamingplattformen schwer beeindrucken. Wenn man hört, dass z.B. Spotify 100 Millionen zahlende Nutzer hat, dann erscheint es fast unmöglich, dass das innovative Unternehmen aus Schweden tiefrote Zahlen schreibt. Zwar wird durch Zukäufe und Umsatzsteigerungen kurzzeitig Gewinn gemacht, dieser verpufft allerdings bei einer Schuldenlast von aktuell 142 Mio. Euro.
Netflix die Geldverbrennungsmaschine
Noch schlimmer sieht es bei Netflix aus: Das Unternehmen macht zwar Gewinn, dieser ist allerdings sehr teuer erkauft. Kaum ein Digitalunternehmen verbrennt aktuell so viel und so schnell Geld wie Netflix. Binnen eines Jahres haben sich die langfristigen Verbindlichkeiten bei Netflix von rund 4,9 auf 8,34 Milliarden Dollar erhöht! Der Free-Cash-Flow zeigt, wie viel dem Unternehmen am Ende übrig bleibt: Zwischen Januar und September 2018 lag dieser Free-Cash-Flow bei Minus 1,7 Milliarden US-Dollar! Propagiert werden allerdings nur die Nutzerzahlen und die sind beeindruckend: Der Streamingdienst hat inzwischen 148 Mio. zahlenden Kunden weltweit. Um die Schuldenlast zu verringern, hat Netflix jetzt angekündigt die Abogebühren zu erhöhen. Allerdings soll das günstigste Paket im Preis unverändert bleiben. Man darf gespannt sein, wie sich der „Gewinn“ weiter entwickelt.
Schnelles Wachstum über allem
Unternehmer wie der Nike Gründer Phil Knight werden sich bei diesen Zahlen verwundert die Augen reiben: So eine Geschäftsentwicklung wäre zu seiner Gründungszeit nie möglich gewesen. Keine Bank, kein Investor hätte vor ein paar Jahrzehnten so viel Geld in ein Unternehmen wie Netflix gesteckt! Der Grund ist einfach: Es gibt kein tragendes Geschäftsmodell. In Netflix wird von Investoren so viel Geld gepumpt, weil sie daran glauben, am Ende Geld verdienen zu können. Doch wann dieser Zeitpunkt kommt, weiß niemand. In den 60er- und 70er-Jahren als Phil Knight Nike gegründet und aufgebaut hat, war es nur möglich einen Bankkredit in Höhe des Guthabens auf dem eigenen Konto zu bekommen. Knight hat jahrelang mühsam und sehr langsam seine Firma aufgebaut. Mit dem Unterschied: Er hatte von Anfang an ein tragendes Geschäftsmodell. Knight konnte sein Unternehmen nachhaltig aufbauen und wachsen lassen. Mit dem Gang an die Börse in den frühen 80er Jahre und der Ausgabe von Nike Aktien hat das Unternehmen dann einen riesigen Sprung gemacht und Phil Knight wurde über Nacht zum mehrfachen Millionär. Nachzulesen ist diese Story in seiner Autobiografie „Shoe Dog„, die ich sehr empfehlen kann.
Wer heute im Internet sein Geschäft machen will, muss schneller sein und höhere Wachstumsraten (Umsatz- & Nutzerzahlen) vorweisen können, als Phil Knight das damals hätte tun können. Ob das Geschäftsmodell funktioniert und ob die Firma überhaupt Gewinn abwirft ist zweitrangig. Das soll sich dann in 10 Jahren zeigen, wenn bilanziert wird. In Zeiten in denen fast täglich neue Player auf den Markt kommen ist es allerdings fraglich, ob diese Unternehmen und ihre Investoren überhaupt 10 Jahre durchhalten.
(Foto: Winfuture)